Ironman Frankfurt – Schwimmen

Das Schwimmen machte mir die größten Sorgen beim Ironman – so geht es vielen. Aber nun, mit dem Kopf unter Wasser, blieb mir nichts mehr übrig, als es zu schaffen, egal wie. Überleben ist alles!

Genieße jeden Moment des Ironman‘, haben sie gesagt. Und ich genoss. Den frühmorgendlichen Start am See, der unter die Haut ging. Ich genoss sogar die Probleme, die mir später zwei platte Reifen machten. Und ich genoss die Anfeuerungen der Zuschauer, die mich bis ins Ziel antrieben. Hier kommt der erste Teil meiner Ironman-Story.

Das Schwimmen

Aber nun zum Tag der Tage und dem ersten Teil – Schwimmen. Es war zwar keine Spitzenzeit mit 1 Std und 36 Min, aber das Durchkommen-Ziel erfüllte ich. Nebenbei gesagt, war es mein erster richtiger Triathlon, von einem Zehntel-Ironman mal abgesehen. Das heißt jetzt aber nicht, dass man einfach so mal einen Ironman machen kann. Ich komme eigentlich vom Ultralaufen und bin Langstrecken gewöhnt. Und ich habe mich lange darauf vorbereitet. Nur vorm Schwimmen hatte ich Sorgen – 3,8 km!

Die Gedanken spukten mir schon in der Nacht im Kopf herum. Würde ich das überhaupt schaffen? Wie kaputt bin ich nach dem Schwimmen? Zum Glück klingelte der Wecker schon um 3.30 Uhr, so dass mir kein Zeit blieb zu überlegen. Rein in den Shuttlebus und ab zum See. Nachdem ich noch ein paar Kleinigkeiten vorbereiten musste quetschte ich mich in den Neoprenanzug und schlenderte Richtung Ufer. Die Sonne strahlte bereits über die Böschung, auf die gelben Bojen, die wie an einer Schnur gezogen im Wasser lagen. Bis ich die zweite Schnur sah, die die zweite Runde markierte, war ich überrascht, wie kurz die Bahn aussah. Dann rutschte mir kurz das Herz in die Hose. Aber wofür hatte ich trainiert? Genau, für diesen Augenblick. Also Brille auf und durch.

Das große Warten

Aber zunächst hieß es warten und frieren. Die Luft war noch kalt, an diesem Julimorgen und so zögerte ich vorm einschwimmen, obwohl ich es fest vorhatte. Zu groß war die Furcht nass am Ufer zu stehen, denn zuerst starteten die Profis um Jan Frodeno und Patrick Lange, mit einem Böllerschuss und dem Applaus der Fans. Unter meinem Anzug spürte ich eine ziemliche Gänsehaut, die allerdings nicht von der Kälte kam.

Okay, einmal rein und schnell ein paar Meter zum Aufwärmen, dachte ich, bis ich das lauwarme Wasser an den Füßen spürte. Ich wollte nicht mehr rauskommen. Zum Glück tat ich es und konnte sehen was jetzt am See abging. Stück für Stück sickerte eine Masse schwarzgekleideter Gummimenschen ins Wasser, das bereits schäumte. Bässe wummerten aus großen Lautsprechern und Schaulustige feuerten die Schwimmer an. Als wäre das nicht genug, gab ein Hubschrauber sein Rotorenknattern dazu und die Stimmung wurde zu irgendwas zwischen Apokalypse Now und das Schweigen der Lämmer. Die Prozession setzte sich fort, bis zu mir. Mein Nebenmann guckte mich an und sagte etwas, dass ich nicht verstand. Badekappe, Ohrenstöpsel, Nasenklammer und Schwimmbrille schirmten mich ab. Ich murmelte etwas motivierendes zurück und versuchte zu lachen. Jetzt gab es kein Halten mehr und auch meine Runden begannen.

Ich tauchte in den Langener Waldsee und und begann eine vierzehneinhalbstündige Reise – aber das war Zukunftsmusik. Jetzt ging es erstmal ums Überleben.


Ich glitt ins Wasser und tauchte ein ins trübe Blaugrün des Langener Waldsees, nachdem ich mich endlich entschloss loszulegen. „Ganz ruhig. Keine Panik und nur auf die nächsten Minuten konzentrieren“, redete ich mir selbst ins Gewissen. Möglichst rechts neben allen anderen halten, das war mein Plan. Trainiert hatte ich genug, das wusste ich. Ein Test im Freibad ein paar Wochen zuvor gab mir die Gewissheit, dass ich es schaffen kann.

Aber im Freiwasser ist alles anders. Die Orientierung zum Beispiel. Während einem im klaren Wasser des Freibades eine dicke schwarze Bodenlinie in der Spur hält, helfen im See nur Orientierungspunkte über Wasser. Beim Ironman gibt es gelbe und rote Bojen, die die Strecke markieren (Wendebojen sind rot). Außerdem gibt es Fixpunkte am Ufer, die ich grob anpeilen konnte. Das ist aber nicht so einfach. Selbst Jan Frodeno kam kurz von der Bahn ab – und der hat es drauf. Das Gegenlicht der Morgensonne tat ihr Übriges dazu, also eierte ich etwas herum. Gut beraten ist, wer nach ein paar Zügen den Kopf aus dem Wasser steckt und die Richtung überprüft. Das hab ich vorher geübt, genau wie das Atmen zu beiden Seiten. Beides ist eine große Hilfe.

Ironman werden die anderen – die ersten sind raus

So konnte ich auch sehen, wie die ersten Schwimmer die Kajaks der Wasserwacht ansteuerten, um sich festzuhalten und eine Pause einzulegen. Vor mir blies jemand in eine Trillerpfeife und ich wunderte mich darüber angefeuert zu werden.  Tatsächlich signalisierte einer der Kajakfahrer einen Notfall. „Misst“, dachte ich, „wenn die ersten jetzt schon ausfallen, wie sollte es dann mir gehen?“.

Von solchen Gedanken ließ ich mich aber nicht beeindrucken, die kommen und verschwimmen wieder. Und als es schließlich für ein kurzes Stück aufs Festland ging, den Australien Exit, könnte ich fliegen. Die Stimmung der Zuschauer war super und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Schnell noch ein Zungenschlag für die beschlagene Schwimmbrille und schon ging es auf die letzten 2500 Meter – jetzt war ich im Rhythmus.

Zennnnnnnnnnnnnnnn

Nun drosch ich mit Wonne auf das Wasser und musste mich bremsen nicht zu übertreiben.  Das musste vom Energiegel kommen, dass ich kurz vorm Start zu mir nahm, und das jetzt mir jetzt einen Energieschub gab. Außerdem sorgte mein Neoprenanzug für Auftrieb und ich schwamm wie ein junger Gott. Aber aus meiner Erfahrung wusste ich schon, nach einem Hoch kann schnell ein Tief kommen. Irgendwo musste jetzt die letzte Boje kommen, dann links und Richtung Strand. Auf einmal kam mir Alles so lang vor. Da waren noch drei weitere gelbe Markierungen, keine rote. „Mist, wo ist sie? Und, wie lange bin ich eigentlich schon unterwegs?“, fragte ich mich und merkte die aufkommende Panik. Irrational ja, aber so ist es nunmal, wenn man Ausdauersport macht. Ich habe mir beim Ultralaufen  angewöhnt, das Wort -Zen- ganz langsam auszusprechen. Das hilft mir, mich wieder zu konzentrieren.

Ironman? Also los!

Bis hierhin schaffte ich es, ohne dass ich mit jemandem zusammenstieß – gut so. Bloß nicht solche Geschichten erleben, in denen Schwimmbrillen vom Kopf geschlagen werden oder Massen von Schwimmern in die sogenannte „Waschmaschine“ geraten. Dagegen war die kurze Berührung die ich plötzlich spürte sanft. Zu dritt wollten wir möglichst nah an der letzten Boje vorbei und kamen uns kurz ins Gehege.

Erst jetzt fiel mit auf:  das war die  letzte Wendemarke! Jetzt wusste ich, ich werde es überleben, nicht vorzeitig aufgeben müssen. Jetzt gab es kein Halten mehr. Zen? Von wegen. Da war der Strand. Meine Züge wurden schnellerö, kraftvoller, ich atmete im Rhythmus, ein, aus. Jetzt setzte ich auch die Beine ein, die beim Triathlonschwimmen nicht sehr beansprucht werden sollten. Ich fühlte mich schnell. Das Wummern der Bässe drang unter die Wasseroberfläche. Durch die wieder beschlagene Brille sah ich verschwommen den steinigen Grund des Sees. „Steine? Ich kann stehen! Ich bin am Ziel!“, sauste es durch meinen Kopf. Und tatsächlich, da war ich, Sand unter den etwas wackeligen Beinen, aber überglücklich. Den Strand nahm ich im Laufschritt. Ich hatte überlebt und  fühlte mich fit genug für 185 km Radfahren.

Dazu mehr im nächsten Teil, Radfahren.


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