Vom Scheitern und seinen Freunden

Bei einem Lauf zu scheitern ist keine Schande, gerade im Ultrasport. Aber wer aus freien Stücken aufgibt, bekommt es mit sich selbst zu tun.

Ja, ich bin schonmal gescheitert. Eigentlich war es ein toller Tag, nachdem ich mit einigen Mitstreitern um Mitternacht startete, die Stadt Köln zu umrunden. 171 Kilometer sollten es werden, auf dem Köln-Pfad. Geschwind zog ich mit Tobias Krumm, einem der besten Langstreckenläufer Deutschlands, in die Nacht. Wir unterhielten uns, lachten und es lief wunderbar. Uns war klar, dass ich sein Tempo nicht durchhalten würde und so zog er bald mit schnellen Schritten weiter. Immerhin wurden es etwas mehr als 30 Kilometer, und ich hielt den zweiten Platz eine ganze Weile. Dann graute mir der Tag und mit ihm die Gewissheit, dass die Sonne brennen würde.

Und sie brannte – am Rheinufer, in den Auen und in den Feldern von Porz. Ich schwitzte. Krümelig lagen Salzkristalle auf meinen Schläfen und im Bart. Mir wurde schlecht. Mehr und mehr dachte ich übers Aufgeben nach. Es gab ja eigentlich nichts zu verlieren, oder? Eine Zeit lang lief ich mit Katrin und Matthias, die mich dann überholten. Es war keine Zeit nachzudenken, denn Mitläufer motivieren. Genauso war es mit Andreas, dessen Frau immer wieder am Streckenrand auftauchte und nicht nur ihren Mann, sondern auch mich mit Getränken versorgte. Sie selbst hatte das Rennen im letzten Jahr gewonnen. Viele Gründe weiterzumachen und nicht mehr negativ zu denken. Dann zog Andreas irgendwann davon.

Negative Gedanken potenzieren sich

In Bensberg war es dann soweit. Das Grübeln hatte mich mürbe gemacht und der Spaß war mir vergangen. Trotz aller mentalen Härte, die ich mir bei vergangenen Läufen (die mitunter deutlich länger waren) unter Beweis gestellt hatte, kam ich nicht mehr in Fahrt. Mein Blick wechselte ständig zwischen GPS-Gerät und dem Weg, auf dem ich jetzt nur noch trottete. Mir war immer noch übel. Ich rechnete ständig nach, wann ich wohl im Ziel sein könnte, aber ich trat auf der Stelle. Noch 6 Stunden für 31 Kilometer? Ich würde mitten in der Nacht ankommen. 140 Kilometer hatte ich geschafft. Nun hatte ich die Wahl: rechts hoch bis zu einem Verpflegungspunkt, den ich schon viel früher erwartet hatte oder links Richtung Freibad, in dem das kühle Nass im blauen Becken wartete. Ich wollte gerade angestrengt nachdenken, als ich mich schon vor dem Freibad in den Schatten eines Baumes legte und das Telefon zur Hand nahm, um mich beim Veranstalter abzumelden. Ich mach‘ nicht mehr weiter.

Zunächst fühlt das Scheitern sich nicht schlimm an. Aber mit der Erkenntnis, dass die Anstrengung nun vorbei ist, kam ein komisches Gefühl auf. Hätte ich doch noch weiter gekonnt? War das wirklich alles? Hätte ich gegen die Übelkeit kämpfen sollen? Diese Fragen stelle ich mir bis heute. Und wer keine gute Antwort darauf hat, wird spätestens jetzt mit sich hadern. Klar ist das auch Typsache. Es gibt Menschen, die können einfach darüber wegsehen, nicht alles gegeben zu haben. Aber so bin ich nicht. Vielleicht sehe ich es auch zu ernst, aber glücklicherweise konnte ich nicht anders als wegen der Übelkeit aufzugeben. Weil ich wollte. Es ging nicht um einen Spendenlauf, nichts hing von einem Erfolg ab, nur das eigene Ego – also habe ich es getan.

Am Ende…

… muss jeder selber wissen, wo seine Grenzen sind, was er oder sie bereit ist zu geben. Man gewinnt am meisten, wenn man in sich selbst den stärksten Gegner hat. Egal, ob man ins Ziel läuft oder nicht. Am Ende steht nach langem Überlegen doch eine positive Erfahrung und der Wunsch, es nächstes Mal besser zu machen. Und das ist ja das eigentliche Aufgeben, wenn man aufhört, es zu versuchen.

Bist du auch schonmal gescheitert oder hats ein Thema, dass dir auf den Nägeln brennt, dann schreib mir hier oder auf twitter.

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